Überfischung kein Problem?

80 Prozent der Deutschen wissen nicht, dass die meisten Fischarten in Europa überfischt sind und schwere ökologische und ökonomische Folgen drohen.

Die Menschheit – so heißt es gern – weiß mehr über die dunkle Seite des Mondes als über die Tiefsee. Aber auch über den Lebensraum wenige Meter unter dem Meeresspiegel herrscht weitgehende Unkenntnis.

Das legt eine vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov für Oceana durchgeführte Umfrage in Deutschland nahe. Ein aktueller Bericht deckt auf, dass 64 % der europäischen Fischbestände derzeit überfischt sind. Aber die Umfrage ergab, dass 80 % der Deutschen diese Zahl entweder unterschätzen (29 %) oder gar nichts davon wissen (51 %). Die Feldstudie wurde zwischen dem 3. – 7. Februar 2017 online durchgeführt. Die repräsentative Stichprobengröße betrug 2.053 deutsche Erwachsene (über 18 Jahre).

Oceana ist die größte internationale Interessensorganisation, die sich ausschließlich auf den Schutz der Meere konzentriert. Oceana will die Reichhaltigkeit und Artenvielfalt der Meere wiederherstellen. Dazu entwickelt die Organisation auf wissenschaftlicher Grundlage Richtlinien für die Länder, die ein Drittel des weltweiten Fischfangs kontrollieren.

 

Romantik und Realität des Fischerdorfs Greetsiel

Kutter im Hafen des Fischerdorfs Greetsiel. (Foto: gf / cc-by-sa)

„Die Überfischung leert unsere Meere und diese Umfrage zeigt, dass die Verbraucher überhaupt keine Ahnung haben, wie schlimm die Situation ist. Wir werden einer enorm wichtigen, natürlichen Ressource beraubt und müssen sicherstellen, dass die europäischen Regierungen die Überfischung ein für alle Mal stoppen“, erklärt Lasse Gustavsson, Geschäftsführender Direktor von Oceana in Europa.

Tatsächlich sind über 75 % der weltweit kommerziell genutzten Fischbestände überfischt oder bis an ihre biologischen Grenzen befischt sind, wie der NABU errechnet hat. In europäischen Gewässern liegt die Zahl gar bei 88 %.

Wie in der Landwirtschaft hat die moderne Fischerei kaum noch etwas mit den romantischen Vorstellungen zu tun, die sich viele Menschen davon machen. Jahrtausendelang wurden an den Küsten Muscheln gesammelt und Reusen aufgestellt. Ab dem Mittelalter fuhren Fischer auf die offene See hinaus, um Heringe und Schellfisch zu fangen.

Im Fischerdorf Greetsiel wird die Tradition immer noch gepflegt. Alljährlich veranstalten die dortigen Fischer und der Fremdenverkehrsverein Greetsiel und Umgebung e. V. die traditionelle Kutterkorso-Fahrt. Zwei Dutzendbunt geschmückte Greetsieler Krabbenkutter nehmen daran teil. Der nächste Termin ist am 22. Juli 2017. Das bei Touristen und Einheimischen beliebte Fest sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Krabberfischerei ein harter Job ist, von dem sich kaum noch leben lässt.

Zwar vertragen Garnele („Krabbe“) und Miesmuschel als die einzigen überlebenden Arten in Küstennähe selbst massive Befischung. Allerdings ist die Konkurrenz für die Kutterfahrer durch industrielle Fangflotten und hochtechnisierte Trawler gerade in der Nordsee sehr groß. Obwohl ihre Fläche nur 0,2 % der Weltmeere ausmacht, werden hier 5 % des weltweiten Fischfangs gemacht, wie die Schutzstation Wattenmeer errechnet hat. Etwa 3,5 Millionen Tonnen Fisch werden hier jedes Jahr gefangen. Für Dänemark und und die Niederlande ist die Fischerei ein bedeutender Wirtschaftszweig, während sie in Deutschland eine immer geringere Rolle spielt.

 

Eine ökologische und ökonomische Bedrohung

Die Überfischung ist eine der Hauptbedrohungen der Meere, da sie Jahr für Jahr die Menge der verfügbaren Fische im Wasser verringert und damit die Existenzgrundlage der Fischer bedroht. Im Durchschnitt kennen 84 % der Befragten aus Italien, Großbritannien, Deutschland, Spanien und Dänemark das Ausmaß der Überfischung nicht oder unterschätzen es.

„Wenn die Überfischung gestoppt wird und die Fischvorkommen nachhaltig verwaltet werden, könnten die europäischen Fischereien ihren Fang um nahezu 60 %, bzw. 5 Millionen Tonnen, erhöhen“, fügt Oceana-Direktor Gustavsson an.

Neben den schweren ökologischen Folgen kann die Überfischung auch großen ökonomischen Schaden anrichten. Schließlich ist die Grundlage eines ganzen Wirtschaftszweigs bedroht. In Kanada etwa brach die einst florierende Dorschfischerei mit 30.000 Arbeitsplätzen durch Überfischung der Bestände 1990 vollständig zusammen. Einzelne Wissenschaftler befürchten inzwischen, dass die kommerziell genutzten Fischbestände in Europa bis zum Jahr 2048 vollständig zusammenbrechen könnten.

Im deutschen Fischereisektor arbeiten etwa 45.000 Menschen. Die Fischereipolitik ist vollständig in die europäische Politik integriert: Subventionen, Schonzeiten, Höchstfangmengen und technische Maßnahmen werden zwar auf EU-Ebene festgelegt. Aber die Gemeinsame Europäische Fischereipolitik (GFP) gilt als gescheitert. Selbst der letzte größere Reformversuch aus dem Jahr 2002 hat nicht zu einer Erholung der Fischbestände geführt.

 

#StopOverfishing

Um die Öffentlichkeit für den Kampf gegen die Überfischung zu sensibilisieren, hat Oceana eine neue Kampagne geschaffen (#StopOverfishing), die es jedem auf einfache Weise ermöglicht, seine Besorgnis zum Ausdruck zu bringen.

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